By Helmut Brentel
Der Begriff der "Rationalität" steht im Zentrum sozialwissenschaftlicher Analysen. Er gilt als der Schlüsselbegriff der Moderne. Vor dem Hintergrund der Entwicklung einer Pluralität divergierender und widersprüchlicher Rationalitätstypologien, Rationalitätssemantiken und Rationalitätstheorien unternimmt die Arbeit eine aktualisierende Rekonstruktion der sachlichen und methodischen Gehalte und Probleme von Rationalitätskonzepten. In dem Band werden die modellistischen Grundannahmen und die empirische Reichweite der einflußreichsten Rationalitätskonzepte in der ökonomischen Theorie (Neoklassik und neoklassische Umweltökonomie), in der Rational Choice-Theorie, in der Organisationstheorie und der Anerkennungstheorie diskutiert und in einer integrierenden Perspektive zusammengeführt. Es wird gezeigt, inwiefern ein zureichendes Verständnis sozialer Rationalität heute in der Lage sein muß, sowohl die Einsichten der avancierten Wahlhandlungs- und Organisationstheorien über das Handeln kollektiver, strategischer Akteure, wie die Maßstäbe und Kriterien eines normativ anspruchsvollen Rationalitätsbegriffs zu reflektieren und für empirische Analysen fruchtbar zu machen.
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Sample text
Fur den Inhalt rationalistischer Moralbegrundung werden zwei (Gerechtigkeits-)Kriterien als Regeln gerechten Interessensausgleiehs genannt. Zum einen das Maximin-Kriterium: Jede soziale Regelung solI so beschaffen sein, daB der jeweils am schlechtesten Gestellte noch m6glichst gut gestellt ist.
Der sozialen Gerechtigkeit gegeniiber einzelnen Gesellschaftsmitgliedem u. U. eine nachrangige Bedeutung zukommt. Die rein teleologische Moralauffassung bezeichnet einen (extremen) Pol der Begriindung und Inhalte moralischen Handelns: jenen Pol, der die Aufmerksamkeit flir das moralisch legitimierbare Gut auf die tatsachlichen (oder erwarteten) Folgen des Handelns lenkt und dabei der Bewertung und Abwagung von Handlungen im Einzelfall durch die jeweiligen Akteure den Vorrang vor der Befolgung allgemeiner Handlungsnormen gibt.
Gegeniiber einer vollstiindigen Rationalitat, die von unproblematischer Zielerreichung und iibersteigerten Akteurskompetenzen ausgeht, kommt der Rationalitatsbegriff erst mit den Konzepten einer "beschriinkten Rationalitiit" (March/Simon 1958; Elster 1987) auf ein inhaltlich informiertes Niveau, auf dem die Umsetzungschancen der urspriinglichen Anspriiche auf ein den Intentionen angemessenes und sie konsequent realisierendes Handeln genauer reflektierbar werden. Die mikrookonomische Theorie in Gestalt der neoklassischen Wohlfahrtstheorie galt stets als das Paradebeispiel fur die Anwendbarkeit des Konzeptes des zweckrationalen Handelns: hier im Sinne eines optimierenden Wahlhandelns zwischen verschiedenen Wahlm6glichkeiten (opportunities) der Konsumenten- und Produzentenentscheidung.